Was versteht man unter normativer und ökonomischer Perspektive? Seit der Neuausrichtung durch die Aufsicht (BaFin/EZB) basiert deine Risikotragfähigkeit auf zwei gleichberechtigten Säulen. Das Ziel dabei: Du musst sowohl die Fortführung des Instituts (Going Concern) als auch den Schutz der Gläubiger (Gone Concern) sicherstellen.
In diesem Beitrag erfährst du, wie sich diese beiden Perspektiven unterscheiden, wie sie in deinem Risikomanagement (ICAAP) ineinandergreifen und welche Anforderungen seit 2023 für dich verbindlich gelten.
Um dir einen schnellen Überblick zu geben, haben wir die wesentlichen Anforderungen der BaFin für dich zusammengefasst:
Zweipoligkeit: Du musst die normative und ökonomische Perspektive gleichrangig betrachten.
Normative Sicht: Sicherstellung, dass du alle regulatorischen Kennzahlen (Kapital, Liquidität) laufend erfüllst.
Ökonomische Sicht: Substanzsicherung auf barwertiger Basis (Marktwerte).
Kapitalplanung: Mehrjährige Planung (mind. 3 Jahre) inkl. adverser Szenarien.
Risikoermittlung: Vollständige Erfassung aller wesentlichen Risiken (intern & regulatorisch).
Verzahnung: Erkenntnisse aus der ökonomischen Sicht müssen Impulse für deine normative Steuerung geben.
Szenarien: Verpflichtende Berücksichtigung von Stressszenarien in deiner Planung.
Proportionalität: Erleichterungen, falls du ein kleines und nicht-komplexes Institut (LSI) bist.
| Kriterium | Normative Perspektive | Ökonomische Perspektive |
|---|---|---|
| Hauptziel | Fortführung des Instituts unter Einhaltung regulatorischer Anforderungen (Going Concern). | Langfristiger Substanzerhalt auf Marktwertbasis (Gone Concern / Gläubigerschutz). |
| Fokus | Bilanzorientiert (HGB/IFRS), regulatorische Quoten. | Barwertorientiert (Marktwerte), stille Reserven/Lasten. |
| Zeithorizont | Mittelfristig (Kapitalplanung mind. 3 Jahre). | Stichtagsbezogen (oft 1 Jahr) + langfristige Substanzsicherung. |
| Risikodeckung | Regulatorische Eigenmittel (Kernkapital, Ergänzungskapital). | Marktwertbereinigtes Eigenkapital (ökonomisches Kapital). |
| Szenarien | Basisszenario + adverses Szenario (Stress). | Stresstests zur Überprüfung der Substanz. |
Die normative Perspektive zielt darauf ab, die Überlebensfähigkeit der Bank im regulatorischen Rahmen zu sichern. Sie ist quasi der „Blick des Aufsehers“.
Institute müssen sicherstellen, dass sie alle Mindestanforderungen (SREP, P2G, Puffer) nicht nur heute, sondern auch in Zukunft erfüllen.
Planungshorizont: Mindestens 3 Jahre.
Szenarien: Es muss ein Planszenario (Erwartungswert) und ein adverses Szenario (schwere wirtschaftliche Eintrübung) berechnet werden.
Ziel: Selbst im Stressfall darf die „harte“ Gesamtkapitalanforderung (TSCR) nicht unterschritten werden.
Die Basis bilden die Säule-1-Risiken (Kredit, Markt, OpRisk) gemäß CRR. Ergänzend müssen alle wesentlichen Risiken aus der internen Inventur (z.B. Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch) berücksichtigt werden, sofern sie sich auf die GuV oder das Eigenkapital auswirken.
Die ökonomische Perspektive löst sich vom Bilanzrecht und betrachtet den „wahren“ wirtschaftlichen Wert deines Instituts.
Im Idealfall bewertest du alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zum Marktwert (Barwert).
Risikodeckungspotenzial: Dein Startpunkt ist oft das bilanzielle Eigenkapital, das du jedoch zwingend um stille Lasten und Reserven bereinigen musst.
Versteckte Risiken: Diese Perspektive deckt Risiken auf, die in deiner Bilanz (noch) nicht sichtbar sind, z.B. Wertverluste bei Anleihen durch Zinsanstiege, die im Anlagevermögen geparkt sind.
Bist du ein sehr kleines und wenig komplexes Institut? Dann darfst du vereinfachte Verfahren nutzen (siehe
Die Aufsicht fordert keine isolierte Betrachtung, sondern eine Verzahnung.
Impulsgeber: Risiken, die in der ökonomischen Perspektive (Barwert) identifiziert werden, müssen analysiert werden: Wann schlagen sie auf die Bilanz (Normative Sicht) durch?
Beispiel: Ein Kursverlust einer Anleihe ist ökonomisch sofort sichtbar (Barwertverlust). Normativ führt er vielleicht erst später zu einer Abschreibung. Das Management muss diesen Effekt frühzeitig in der Kapitalplanung der normativen Perspektive berücksichtigen.
Seit dem 01.01.2023 ist die Übergangsfrist für den alten „Going-Concern“-Ansatz alter Prägung abgelaufen.
Pflicht: Alle Institute müssen beide Perspektiven implementiert haben.
Liquidationsansatz: Der reine Liquidationsansatz (Gone Concern) als alleinige Steuerung ist nicht mehr zulässig. Er geht in der ökonomischen Perspektive auf, muss aber zwingend durch die normative Planung ergänzt werden.
Die Trennung in normative und ökonomische Perspektive macht das Risikomanagement komplexer, aber auch robuster. Institute müssen lernen, „zweisprachig“ zu steuern: Einerseits die Bilanzkennzahlen für die Aufsicht optimieren (Normativ), andererseits die wirtschaftliche Substanz gegen Wertverfall schützen (Ökonomisch). Wer beide Sichten integriert, vermeidet böse Überraschungen bei Zinswenden oder Marktschocks.
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Die normative Perspektive blickt durch die regulatorische Brille. Sie prüft, ob die Bank ihre aufsichtsrechtlichen Anforderungen – z. B. Kapitalquoten oder Liquiditätskennzahlen – nachhaltig einhalten kann.
Die ökonomische Perspektive bewertet dagegen die wirtschaftliche Substanz einer Bank auf Marktwertbasis. Sie stellt die Frage: Wie stabil ist das Institut wirklich, wenn alle Vermögenswerte und Risiken realistisch bepreist werden?
Früher nutzten viele Institute entweder:
Seit 2023 fordert die Aufsicht zwingend die „Zweipoligkeit der Risikotragfähigkeit“. Beide Ziele müssen gleichzeitig erfüllt sein:
Ein einzelner Ansatz reicht nicht mehr aus.
In der normativen Perspektive wirken stille Reserven/Lasten erst, wenn sie realisiert werden (z. B. Verkauf einer Anleihe mit Gewinn/Verlust).
In der ökonomischen Perspektive sind sie sofort relevant: Marktwertverluste müssen vom ökonomischen Kapital abgezogen werden – ebenso dürfen bestehende stille Reserven hinzuaddiert werden.
Dadurch wird die tatsächliche wirtschaftliche Risikotragfähigkeit sichtbar.
Ja. Die MaRisk fordern zwingend:
Ziel: Nachweis, dass das Institut auch im Stress seine regulatorischen Mindestanforderungen nicht verletzt.
Ja – das Proportionalitätsprinzip gilt weiterhin.
Kleine, wenig komplexe Institute dürfen z. B.:
Entscheidend ist: Die Risiken müssen vollständig erfasst sein – egal wie simpel das Modell ist.
Die beiden Perspektiven dürfen nicht isoliert nebeneinander stehen. Sie müssen sich gegenseitig beeinflussen.
Beispiel: Wenn die ökonomische Sicht zeigt, dass die Zinsbuchsteuerung langfristig Substanz vernichtet (starker Barwertverlust), dann muss dies in der normativen Planung berücksichtigt werden.
Erkenntnisse aus der ökonomischen Perspektive wirken also wie ein „Frühwarnsystem“ für spätere Risiken in der normativen (bilanzorientierten) Sicht.
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