Die Angemessenheitsprüfung ist eine regulatorische Anforderung im beratungsfreien Geschäft und bezieht sich auf komplexe Finanzinstrumente. Der Unterschied zwischen Privatkunden und professionellen Kunden liegt in der Tiefe der Prüfung und den zu erhebenden Informationen.
Privatkunden:
- Ziel: Bei Privatkunden muss die Angemessenheitsprüfung sicherstellen, dass der Kunde über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken des gewählten Finanzinstruments zu verstehen.
- Einzuholende Informationen: Die Prüfung erfordert detaillierte Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf bestimmte Finanzprodukte. Diese müssen dokumentiert werden.
- Hinweis auf Unangemessenheit: Falls ein Produkt als unangemessen für den Kunden gilt, muss der Kunde explizit darauf hingewiesen werden.
Professionelle Kunden:
- Ziel: Für professionelle Kunden wird in der Regel davon ausgegangen, dass sie über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die Risiken der komplexen Produkte zu verstehen. In vielen Fällen ist eine detaillierte Angemessenheitsprüfung nicht erforderlich.
- Einzuholende Informationen: Bei professionellen Kunden kann die Angemessenheitsprüfung weniger tiefgehende Informationen erfordern. Professionelle Kunden gelten als erfahren, und es wird eine vereinfachte Prüfung durchgeführt.
2. Reines Ausführungsgeschäft (Execution-only, § 63 Abs. 11 WpHG)
Im reinen Ausführungsgeschäft (Execution-only) ist weder eine Angemessenheitsprüfung noch eine Geeignetheitsprüfung erforderlich, solange es sich um nicht-komplexe Finanzinstrumente handelt. Dies gilt für Aktien, Anleihen und offene Investmentfonds (OGAW). Für beide Kundentypen gelten hier ähnliche Regeln.
Privatkunden:
- Keine Angemessenheitsprüfung: Im reinen Ausführungsgeschäft mit nicht-komplexen Finanzinstrumenten ist keine Prüfung der Angemessenheit notwendig.
- Kundenschutz: Der Kunde muss jedoch darüber informiert werden, dass keine Prüfung der Angemessenheit durchgeführt wird. Dieser Hinweis muss dokumentiert werden.
Professionelle Kunden:
- Keine Angemessenheitsprüfung: Auch für professionelle Kunden entfällt die Pflicht zur Angemessenheitsprüfung im reinen Ausführungsgeschäft, wenn nicht-komplexe Finanzinstrumente erworben werden.
- Vereinfachte Dokumentation: Da professionelle Kunden als erfahren gelten, sind hier weniger strenge Dokumentationsanforderungen notwendig. Der Hinweis auf den Verzicht der Angemessenheitsprüfung muss dokumentiert werden.
3. Geeignetheitsprüfung nach § 64 Abs. 3 WpHG
Die Geeignetheitsprüfung ist erforderlich, wenn eine Anlageberatung stattfindet. Der Unterschied zwischen Privatkunden und professionellen Kunden liegt im Umfang der Prüfung und den zu sammelnden Informationen.
Privatkunden:
- Ziel: Bei Privatkunden müssen umfassende Informationen erhoben werden, um sicherzustellen, dass das empfohlene Produkt den Anlagezielen, der Risikobereitschaft und den finanziellen Verhältnissen des Kunden entspricht.
- Einzuholende Informationen: Die Geeignetheitsprüfung für Privatkunden erfordert detaillierte Informationen zu den Anlagezielen, finanziellen Verhältnissen, Risikobereitschaft und den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden. Diese Informationen sind umfassender als bei professionellen Kunden.
- Detaillierte Prüfung: Die Prüfung muss sicherstellen, dass das empfohlene Finanzinstrument für den spezifischen Kunden passend ist.
Professionelle Kunden:
- Ziel: Bei professionellen Kunden wird angenommen, dass sie eine höhere Fachkenntnis haben. Daher kann die Geeignetheitsprüfung vereinfacht werden, und es müssen weniger detaillierte Informationen erhoben werden.
- Einzuholende Informationen: Informationen zu den Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen können vereinfacht erhoben werden. Professionelle Kunden gelten als erfahrene Marktteilnehmer, weshalb die Anforderungen an die Prüfung geringer sind.
4. Geeignetheitserklärung nach § 64 Abs. 4 WpHG
Die Geeignetheitserklärung dokumentiert die Ergebnisse der Geeignetheitsprüfung und muss dem Kunden nach der Beratung vor Abschluss des Geschäfts zur Verfügung gestellt werden. Auch hier gibt es Unterschiede in der Anforderung an Privatkunden und professionelle Kunden.
Privatkunden:
- Ziel: Die Geeignetheitserklärung für Privatkunden muss erklären, wie die Empfehlung auf die individuellen Anlageziele, Risikobereitschaft und finanziellen Verhältnisse des Kunden abgestimmt wurde.
- Dokumentationsanforderung: Die Geeignetheitserklärung muss detaillierte Informationen enthalten und dem Kunden vor Abschluss der Transaktion zur Verfügung gestellt werden (z. B. per E-Mail oder in Papierform).
Professionelle Kunden:
- Vereinfachte Anforderungen: Für professionelle Kunden kann die Geeignetheitserklärung weniger ausführlich ausfallen, da angenommen wird, dass der Kunde über die notwendigen Kenntnisse verfügt, um die Empfehlung zu verstehen. In einigen Fällen kann die Bereitstellung der Erklärung auch durch einen Hinweis auf allgemeine Produktinformationen erfolgen.
Fazit:
Die Anforderungen an die Angemessenheits- und Geeignetheitsprüfung unterscheiden sich je nach Kundengruppe und Art des Geschäfts. Privatkunden unterliegen in der Regel strengeren Dokumentations- und Prüfpflichten, insbesondere bei komplexen Finanzprodukten und im Rahmen der Anlageberatung, da sie besonderen Schutz benötigen. Hier müssen detaillierte Informationen über Anlageziele, Risikobereitschaft und finanzielle Verhältnisse eingeholt werden. Professionelle Kunden genießen dagegen Erleichterungen, da sie als erfahrene Marktteilnehmer gelten. Für sie sind die Prüfungen oft weniger detailliert, da sie als fähig betrachtet werden, die Risiken von Finanzprodukten selbst zu verstehen. Dies führt zu einer reduzierten Dokumentations- und Prüfungslast, insbesondere bei der Angemessenheitsprüfung und der Bereitstellung der Geeignetheitserklärung.