Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit – Was Du als Entscheider:in wissen musst

Wenn ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gerät, stehen schnell zwei zentrale Fragen im Raum: Ist das Unternehmen sanierungsfähig? Und: Ist es sanierungswürdig? Diese beiden Begriffe klingen ähnlich, meinen aber etwas völlig Unterschiedliches – und sie sind entscheidend dafür, ob Du überhaupt die richtigen Schritte einleiten kannst, um Dein Unternehmen zu retten.

In diesem Artikel erfährst Du:

  • Was genau unter Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit zu verstehen ist

  • Wie Du sie voneinander abgrenzt

  • Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen

  • Warum Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle spielt

  • Wie Du Stakeholder überzeugst

  • Und welche typischen Fehler Du vermeiden solltest


🛠️ Sanierungsfähigkeit vs. Sanierungswürdigkeit

Kriterium Sanierungsfähigkeit Sanierungswürdigkeit
Definition Die Fähigkeit eines Unternehmens, durch geeignete Maßnahmen wieder dauerhaft wirtschaftlich überlebensfähig zu werden. Die Bereitschaft von Stakeholdern, sich an der Sanierung zu beteiligen, basierend auf subjektiven Interessen.
Fokus Objektiv analysierbare wirtschaftliche Perspektive des Unternehmens. Individuelle Einschätzung von Gläubigern, Investoren oder Gesellschaftern.
Prüfmaßstab Überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Planannahmen im Sanierungskonzept. Abwägung, ob Beteiligte die Sanierung unterstützen wollen – z. B. durch Forderungsverzichte oder Kapitalmaßnahmen.
Wesentlicher Einflussfaktor Realisierbarkeit und Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen. Vertrauen der Stakeholder in das Unternehmen und seine Organe.
Nachhaltigkeit Grundlage für dauerhaften Sanierungserfolg – inkl. ESG-Faktoren. Reputationswirkung und Außenwirkung – z. B. bei Investoren oder Kunden.
Rolle der Geschäftsführung Verantwortlich für Umsetzung, Fortschreibung und Überwachung der Maßnahmen. Trägt zur Überzeugungskraft des Konzepts bei – durch glaubwürdiges Engagement.
Bewertungskriterien Zahlungsfähigkeit, Ertragskraft, Kapitalstruktur, Marktposition. Stakeholder-Interessen, Risikoabwägung, strategische Bedeutung.

🧩 Was bedeutet Sanierungsfähigkeit?

Die Sanierungsfähigkeit beschreibt die objektive Möglichkeit, ein Unternehmen durch geeignete Maßnahmen wieder dauerhaft wirtschaftlich tragfähig zu machen. Es geht also um die Frage: Lässt sich das Unternehmen überhaupt retten – und wenn ja, wie?

Stell Dir vor, Dein Unternehmen hat kurzfristige Liquiditätsprobleme, aber langfristig gute Produkte, loyale Kunden und stabile Marktchancen. Dann ist es vermutlich sanierungsfähig – auch wenn Du jetzt tief in der Krise steckst.

Sanierungsfähig ist ein Unternehmen, wenn…

  • eine positive Fortbestehensprognose gestellt werden kann,

  • realistische Maßnahmen zur Krisenbewältigung existieren,

  • die wesentlichen Gläubiger zu bestimmten Zugeständnissen bereit sind,

  • und die Umsetzung der Sanierung wirtschaftlich tragfähig erscheint.

Der Maßstab ist dabei immer der: Mehr spricht für den Erfolg der Sanierung als dagegen. Das bedeutet: Der Eintritt der zugrunde liegenden Annahmen und Maßnahmen muss überwiegend wahrscheinlich sein.


🧠 Was versteht man unter Sanierungswürdigkeit?

Die Sanierungswürdigkeit hingegen ist eine Wertentscheidung. Sie beschreibt, ob Stakeholder – also etwa Banken, Investoren, Gesellschafter oder der Staat – bereit sind, das Unternehmen bei seiner Sanierung zu unterstützen.

Sanierungswürdig ist ein Unternehmen also dann, wenn es als „es wert“ angesehen wird, gerettet zu werden.

Hier kommt viel Psychologie ins Spiel: Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Reputation. Auch Image und Nachhaltigkeit zählen.

Sanierungswürdig ist ein Unternehmen, wenn…

  • es über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügt, das Stakeholder nachvollziehen können,

  • eine belastbare Geschäftsführung an Bord ist, die Vertrauen verdient,

  • Transparenz und klare Kommunikation vorliegen,

  • und langfristiges Entwicklungspotenzial besteht.

Ein einfaches Beispiel: Ein Start-up mit großem Innovationspotenzial, das in eine Schieflage gerät, kann sanierungswürdig sein – obwohl es noch keine Gewinne erwirtschaftet hat. Ein Altbetrieb ohne Zukunftsvision hingegen kann als nicht würdig gelten – selbst wenn kurzfristig noch etwas zu retten wäre.


📌 Der entscheidende Unterschied

👉 Sanierungsfähigkeit = Können

👉 Sanierungswürdigkeit = Wollen

Die eine Dimension ist also faktisch-technisch, die andere emotional-wertend. Für eine erfolgreiche Sanierung müssen beide Bedingungen erfüllt sein. Du kannst noch so gute Maßnahmen planen – wenn niemand bereit ist, mit Dir diesen Weg zu gehen, bleibt der Erfolg aus.


🔍 Wie kannst Du die Sanierungsfähigkeit prüfen?

Die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit erfolgt systematisch – häufig im Rahmen eines professionellen Sanierungskonzepts nach dem IDW S6-Standard.

Dabei sind u. a. folgende Punkte entscheidend:

  1. Finanzielle Lage: Ist kurzfristig genug Liquidität vorhanden, um eine Sanierung überhaupt zu starten?

  2. Wirtschaftliches Potenzial: Ist das Geschäftsmodell nachhaltig? Gibt es einen Markt, Kunden, Wettbewerbsvorteile?

  3. Risikobewertung: Wie wahrscheinlich ist es, dass geplante Maßnahmen auch wirklich greifen?

  4. Rechtlicher Rahmen: Gibt es Hemmnisse (z. B. Insolvenzverfahren, Verträge, Genehmigungen)?

  5. Strategie & Umsetzung: Liegt ein klarer, nachvollziehbarer Umsetzungsplan mit Meilensteinen vor?

Wenn Du diese Punkte mit positiver Prognose beantworten kannst, hast Du einen belastbaren Hinweis auf die Sanierungsfähigkeit.


🗝️ Woran erkennst Du Sanierungswürdigkeit?

Sanierungswürdigkeit lässt sich nicht in Excel kalkulieren – aber Du kannst sie durch gezielte Maßnahmen stärken und sichtbar machen.

Wichtige Faktoren:

  • Reputation des Unternehmens: Wie wird Dein Unternehmen von außen wahrgenommen? Stehst Du für Qualität, Verantwortung, Innovation?

  • Glaubwürdigkeit der Geschäftsführung: Haben die Stakeholder das Gefühl, dass Du die Lage im Griff hast und offen kommunizierst?

  • Bereitschaft zur Veränderung: Ist erkennbar, dass Du strukturell etwas ändern willst – und nicht nur kurzfristig überleben?

  • Nachhaltigkeit: Erfüllst Du ökologische, soziale und Governance-Kriterien (ESG), die für Banken und Investoren zunehmend entscheidend sind?


🌿 Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor

In der modernen Unternehmensbewertung ist Nachhaltigkeit längst mehr als nur ein Zusatz. Sie ist zentraler Bestandteil von Risiko- und Sanierungsanalysen.

Warum das so wichtig ist?

Weil Nachhaltigkeit drei entscheidende Funktionen erfüllt:

  1. Vertrauensaufbau bei Stakeholdern: Nachhaltige Unternehmen gelten als zukunftsfähig und verantwortungsbewusst.

  2. Langfristige Finanzierbarkeit: Banken und Investoren bevorzugen zunehmend ESG-konforme Geschäftsmodelle.

  3. Risikominimierung: Unternehmen, die ökologische und soziale Faktoren einbeziehen, sind weniger krisenanfällig.

Wenn Du also z. B. als CFO ein Sanierungskonzept entwickelst, musst Du ESG-Faktoren explizit einbauen. Und Du musst zeigen, wie Du diese Anforderungen auch in der Umsetzung berücksichtigst – etwa durch Lieferkettenmanagement, Mitarbeitermotivation oder Governance-Strukturen.


🧱 Bausteine eines erfolgreichen Sanierungskonzepts

Ein gutes Sanierungskonzept beantwortet drei Fragen:

  1. Was ist das Problem?
    (Analyse der Ist-Situation, Liquidität, Rentabilität, Ursachen der Krise)

  2. Wie soll das Unternehmen wieder zukunftsfähig werden?
    (Strategische Maßnahmen, Restrukturierung, Finanzierung, Governance)

  3. Wer macht was bis wann?
    (Zeitplan, Verantwortlichkeiten, Umsetzungskontrolle)

Ein bewährter Aufbau umfasst:

  • Unternehmensanalyse (SWOT, Markt, Wettbewerb)

  • Finanzplanung (Bilanz, GuV, Cash Flow – vor/nach Sanierung)

  • Maßnahmenkatalog (operative, finanzielle, strategische Hebel)

  • Kapitalbedarfsrechnung

  • Liquiditätsplanung

  • ESG-Nachhaltigkeitskonzept

  • Stakeholder-Kommunikation


⚠️ Typische Fehler – und wie Du sie vermeidest

Viele Sanierungsversuche scheitern nicht an der Strategie, sondern an Vertrauensverlust und mangelhafter Umsetzung. Hier die häufigsten Stolpersteine:

  1. Schönrechnerei statt Klartext: Unrealistische Planzahlen zerstören das Vertrauen bei Banken und Investoren.

  2. Keine klare Rollenverteilung: Wer ist eigentlich wofür verantwortlich?

  3. Fehlende Kommunikation: Stakeholder erfahren zu spät oder gar nichts über die Sanierung.

  4. Ignorieren von ESG-Faktoren: Ein Sanierungskonzept ohne Nachhaltigkeitsstrategie ist nicht zukunftsfähig.

  5. Unzureichende Controlling-Systeme: Ohne laufende Überwachung läuft jede Sanierung ins Leere.

Unser Tipp: Verankere das Controlling im Konzept – mit regelmäßiger Fortschreibung, Monitoring-Kennzahlen und Feedback-Schleifen.


💬 Wie überzeugst Du Stakeholder von der Sanierungswürdigkeit?

Du brauchst nicht nur ein gutes Konzept, sondern auch eine starke Story. Ein Narrativ, das Stakeholder überzeugt:

  • Transparenz statt Versteckspiel: Zeige offen, wo das Unternehmen steht.

  • Vision statt Reparaturbetrieb: Wo willst Du langfristig hin?

  • Mitnahme statt Alleingang: Binde Mitarbeitende, Gesellschafter und Kapitalgeber aktiv ein.

  • Nachhaltigkeit als Prinzip, nicht als Deko: ESG muss integraler Bestandteil der Strategie sein – nicht nur ein Kapitel im Konzept.


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  • Wie Du eine professionelle Sanierungsplanung aufstellst

  • Welche ESG-Anforderungen integriert werden müssen

  • Wie Du mit Banken und Investoren kommunizierst

  • Und wie Du Deine Sanierung „prüfungssicher“ machst

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📌 Fazit: Zwei Fragen, die über Deine Zukunft entscheiden

Wenn Du Dein Unternehmen durch eine Krise führen willst, musst Du beide Fragen beantworten können:

  • Ist mein Unternehmen sanierungsfähig?

  • Und: Ist es sanierungswürdig?

Nur wenn beide Dimensionen erfüllt sind, kannst Du ein tragfähiges, glaubwürdiges und nachhaltiges Sanierungskonzept umsetzen. Und genau dafür brauchst Du neben Fakten und Zahlen vor allem eins: Vertrauen.

Sorge dafür, dass dieses Vertrauen verdient ist.


Wesentliche Rechtsquellen und Fachstandards

1. IDW S6 Standard („Anforderungen an Sanierungskonzepte“)

  • Der IDW S6 ist der zentrale Standard für die Erstellung von Sanierungskonzepten. Er definiert objektive Kriterien für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit und integriert aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die Anforderungen des Bundesgerichtshofs (BGH)

  • Der aktuelle IDW S6 wurde am 22.06.2023 verabschiedet und erweitert laufend um betriebswirtschaftliche und rechtliche Aspekte – etwa Nachhaltigkeit und steuerliche Folgen

  • Er verlangt eine zweistufige Prüfung: erst die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose, dann die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Das Konzept muss umfassend dokumentiert werden und insbesondere die Unternehmens-, Markt- und Finanzlage sowie den Sanierungsweg (Maßnahmenkatalog, Planung) nachzeichnen

2. Rechtsprechung des BGH und Instanzgerichte

  • Maßgebliche Urteile wie das BGH-Urteil vom 21.03.2024, IX ZR 12/22, betonen, dass Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit zu prüfen sind und ein Sanierungskonzept weit über eine bloße Fortbestehensprognose hinausgehende Anforderungen erfüllen muss

  • Die Rechtsprechung konkretisiert die Anforderungen an die Ausgestaltung und Dokumentation von Sanierungskonzepten, auch im Bezug auf Gläubigerschutz und Haftung der Organe.

3. StaRUG („Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“)

  • Seit 2021 ist mit dem StaRUG ein eigenständiges, vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren möglich, das Unternehmen unter bestimmten Bedingungen einen gesetzlich geregelten Sanierungsrahmen bietet – auch gegen den Willen einzelner Gläubiger

  • Zentrale Voraussetzung: drohende Zahlungsunfähigkeit (keine bereits eingetretene Insolvenz!), Planbasierung und Gläubigerbeteiligung durch Restrukturierungsplan, Gerichtsbestätigung möglich.

4. Insolvenzordnung (InsO) und ESUG

  • Die InsO regelt Sanierungen im Rahmen von Insolvenzverfahren, insbesondere durch Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren (§270b InsO, ESUG)

  • Sanierungsfähigkeit ist hier Voraussetzung für die Verfahrenswahl, zentrale Rolle spielen gerichtliche und außergerichtliche Sanierungskonzepte.

    Exemplarisch wichtige Urteile und Standards

    Rechtsquelle/Standard Inhalt/Fokus
    BGH, Urteil IX ZR 12/22 Notwendigkeit von Prüfung von Sanierungsfähigkeit/-würdigkeit
    IDW S6 (aktuelle Fassung) Sanierungskonzept als Standard, Integration BGH-Vorgaben
    StaRUG (§29 ff.) Restrukturierungsinstrument vor Insolvenz, Planverfahren
    InsO, §270b (ESUG) Schutzschirmverfahren im Insolvenzrecht

    Praxistipp: Für die Haftungsvermeidung, Gläubigerschutz und die Akzeptanz bei allen Beteiligten ist sowohl die genaue Einhaltung des IDW S6 als auch die Orientierung an aktueller Rechtsprechung unerlässlich. Das StaRUG-Verfahren ist eine wichtige neue Option für vorinsolvenzliche Sanierungen.

    1. https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/idw-standard-zu-sanierungskonzepten-idw-s-6-verabschiedet.html
    2. https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/bgh_notp/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2024&Sort=3080&Seite=14&nr=86805&anz=2887&pos=445
    3. https://live.handelsblatt.com/nachhaltige-sanierungsfaehigkeit-anforderungen-an-das-eigenkapital/
    4. https://www.gesetze-im-internet.de/starug/BJNR325610020.html
    5. https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/jportal/perma?portal=bshe&d=LARE220002112
    6. https://www.idw.de/IDW/IDW-Verlautbarungen/IDW-S/IDW-ES-16-250203.pdf [PDF]
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