Anlageberatung unter MiFID II: Pflichten des Anlageberaters nach BT 6 und BT 7 MaComp

Die Pflichten eines Anlageberaters haben sich in den letzten Jahren durch regulatorische Vorgaben wie MiFID II und durch nachhaltige Geldanlagen weiterentwickelt. Nach den Vorgaben der BaFin müssen Berater umfassend über die Ziele, das Risikoprofil und die Anlagepräferenzen des Kunden informieren und diese im Beratungsgespräch berücksichtigen.

Seit dem 2. August 2022 ist es für Berater zudem Pflicht, die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abzufragen, bevor sie eine Anlageempfehlung abgeben. Dabei werden Kriterien wie der Anteil ökologisch nachhaltiger Investitionen oder soziale Aspekte (ESG) berücksichtigt. Produkte dürfen nur dann empfohlen werden, wenn sie mit diesen Präferenzen übereinstimmen. Die wesentlichen Anforderungen an den Beratungsprozess beinhalten folgende Aspekte:

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1. Angemessenheitsprüfung (MaComp BT 6), Geeignetheitsprüfung und Geeignetheitserklärung (MaComp BT 7)

Die Geeignetheitsprüfung bleibt die wichtigste Grundlage jeder Anlageberatung. Bevor ein Produkt empfohlen wird, muss der Berater den Kunden zu seinen Zielen, seiner Risikobereitschaft, seinen finanziellen Verhältnissen und seiner Anlageerfahrung befragen. Die hierbei gesammelten Informationen müssen stets aktuell sein und dokumentiert werden, um nachweisen zu können, dass die Beratung den individuellen Anforderungen des Kunden entspricht. Ein Beispiel ist die Dokumentationspflicht, bei der der Berater aufzeichnen muss, weshalb ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde.


2. Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen

Seit 2022 müssen Anlageberater im Zuge von MiFID II systematisch erfragen, ob der Kunde Interesse an nachhaltigen Anlagen hat und wie hoch sein Wunsch nach Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ethischer Faktoren (ESG) ist. Hierbei können drei Kategorien von Nachhaltigkeitskriterien herangezogen werden:

  1. Der Anteil ökologisch-nachhaltiger Investitionen (gemäß der EU-Taxonomie).
  2. Der Anteil an nachhaltigen Investitionen (gemäß der EU-Offenlegungsverordnung).
  3. Die Berücksichtigung negativer Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren, beispielsweise Umweltrisiken.

Der Berater ist verpflichtet, dem Kunden nur solche Finanzprodukte anzubieten, die mit den abgefragten Nachhaltigkeitspräferenzen übereinstimmen. Falls kein Produkt verfügbar ist, das den Wünschen des Kunden entspricht, muss der Berater dies offenlegen und dem Kunden die Möglichkeit bieten, seine Präferenzen anzupassen oder auf eine nachhaltige Komponente zu verzichten.

Pflichten des Anlageberaters

Pflicht des Anlageberaters Beschreibung
Geeignetheitsprüfung Berater müssen die Anlageziele, Risikobereitschaft, finanzielle Situation und Erfahrung des Kunden ermitteln.
Berücksichtigung von Nachhaltigkeitspräferenzen Seit 2022 müssen Berater die ESG-Präferenzen der Kunden erfragen und nur passende Produkte empfehlen.
Erstellung der Geeignetheitserklärung Eine Geeignetheitserklärung muss erstellt und dem Kunden ausgehändigt werden; ein Verzicht ist nicht möglich.
Aufklärungs- und Informationspflicht Kunden müssen umfassend über Produktmerkmale, Kosten, Risiken und ESG-Risiken aufgeklärt werden.

3. Produktinformation und -transparenz

Ein zentrales Anliegen der MiFID-II-Richtlinie ist es, sicherzustellen, dass Kunden umfassend über alle Kosten, Risiken und potenziellen Erträge der Finanzprodukte informiert werden. Berater müssen sicherstellen, dass die vom Kunden gewählten Produkte dessen Bedürfnissen entsprechen und ihn nicht unangemessenen Risiken aussetzen. In diesem Zusammenhang spielt die Transparenzpflicht eine entscheidende Rolle. Finanzprodukte müssen klar beschrieben sein, und eventuelle Zielmarktkonflikte dürfen nicht entstehen.

Gerade bei nachhaltigen Finanzprodukten ist es essenziell, dass Berater den Kunden über die genauen Nachhaltigkeitskriterien und die Art der Investition aufklären. Dies soll verhindern, dass Kunden in Produkte investieren, die sich lediglich als „grün“ oder „nachhaltig“ bezeichnen, ohne tatsächliche Vorteile für die Umwelt oder das Gemeinwohl zu bieten. Greenwashing-Risiken werden durch die EU-Offenlegungsverordnung und die Taxonomie-Verordnung eingedämmt.


4. Aufklärungs- und Informationspflichten

Neben der Transparenz über die Produktmerkmale sind Berater auch dazu verpflichtet, den Kunden über wesentliche Risiken zu informieren. Dies gilt nicht nur für die finanzielle Seite der Anlage, sondern auch für Risiken, die sich aus ESG-Faktoren ergeben können, etwa potenzielle negative soziale oder ökologische Auswirkungen einer Investition.

Dabei ist es essenziell, dass die Berater die Bedeutung und die Folgen dieser ESG-Risiken klar kommunizieren. Kunden müssen in die Lage versetzt werden, informierte Entscheidungen zu treffen. Der Berater muss dabei die entsprechenden Berichte, die die Nachhaltigkeit eines Finanzprodukts belegen, zur Verfügung stellen.

Zu erfragende Informationen vom Kunden

Erfragte Information Beschreibung
Anlageziele Welche Ziele verfolgt der Kunde mit der Geldanlage (z.B. Rendite, Sicherheit, Nachhaltigkeit)?
Risikobereitschaft Wie hoch ist die Bereitschaft des Kunden, Risiken bei der Geldanlage einzugehen?
Finanzielle Situation Informationen über Einkommen, Vermögen und Verbindlichkeiten des Kunden.
Anlageerfahrung Wie viel Erfahrung hat der Kunde mit Finanzprodukten und Kapitalanlagen?
Nachhaltigkeitspräferenzen Bevorzugt der Kunde nachhaltige Investments gemäß ESG-Kriterien?

5. Sorgfaltspflichten bei der Produktauswahl

Ein weiterer zentraler Aspekt der Anlageberatung ist die sorgfältige Produktauswahl. Berater müssen sicherstellen, dass die angebotenen Finanzprodukte mit den Zielen und Bedürfnissen des Kunden im Einklang stehen. Bei nachhaltigen Produkten bedeutet dies, dass nur solche empfohlen werden dürfen, die den ESG-Kriterien entsprechen, die der Kunde im Beratungsgespräch angegeben hat.

Sollte der Berater keine geeigneten nachhaltigen Produkte anbieten können, darf er dem Kunden keine ESG-konforme Anlage empfehlen. Dies stellt sicher, dass keine Produkte mit „grünen“ Etiketten beworben werden, die in Wirklichkeit nicht die vom Kunden gewünschten Nachhaltigkeitsziele erreichen.


6. Fortlaufende Überprüfung und Anpassung

Die Anlageberatung endet nicht mit dem Abschluss eines Anlagegeschäfts. Berater sind verpflichtet, die Anlageentscheidungen ihrer Kunden regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Dies betrifft insbesondere die Einhaltung der Nachhaltigkeitspräferenzen. Sollte sich der Markt oder das regulatorische Umfeld ändern, ist es die Aufgabe des Beraters, den Kunden über mögliche Änderungen zu informieren und alternative Produkte vorzuschlagen, die besser mit den aktuellen Präferenzen übereinstimmen.

Anlageberater sind verpflichtet, bei jeder Beratung eine Geeignetheitserklärung zu erstellen und dem Kunden auszuhändigen. Diese Erklärung dokumentiert, warum die empfohlene Anlage für den Kunden geeignet ist, basierend auf seinen Zielen, seiner Risikobereitschaft und seiner finanziellen Situation. Ein Verzicht auf die Erstellung und Aushändigung dieser Geeignetheitserklärung ist grundsätzlich nicht möglich. Die Erklärung stellt sicher, dass die Beratung transparent ist und der Kunde nachvollziehen kann, warum ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde.

Weitere Details findest du auf der BaFin-Website.

Zeitpunkte der Informationsaushändigung

Zeitpunkt Auszuhändigende Informationen
Vor Beginn der Beratung Informationen zu Kosten, Gebühren und potenziellen Risiken der Produkte.
Während der Beratung Erklärung zur Eignung der vorgeschlagenen Produkte, basierend auf Zielen, Risikobereitschaft und ESG-Präferenzen.
Nach der Beratung (Abschluss des Gesprächs) Geeignetheitserklärung mit Begründung der Produktempfehlung.
Fortlaufend nach der Anlageentscheidung Regelmäßige Überprüfung der Anlageprodukte und Updates zu Risiken und relevanten Änderungen.

Fazit

Die Rolle des Anlageberaters ist durch die Regulierungen der BaFin und der EU deutlich anspruchsvoller geworden. Insbesondere die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen und die Pflicht, nur solche Produkte zu empfehlen, die diesen Präferenzen entsprechen, haben den Beratungsprozess komplexer gemacht. Berater müssen sicherstellen, dass sie ihre Kunden umfassend informieren und nur Produkte empfehlen, die sowohl finanziell als auch unter ESG-Gesichtspunkten geeignet sind. Weitere Informationen finden Sie in den offiziellen Richtlinien der BaFin unter Anlageberatung und zu den Nachhaltigkeitskriterien im Beratungsgespräch.


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